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Einführungspredigt von Dr.Josua Stegmann zur Neugründung der Universität Rinteln am 17.07.1621

Hier finden Sie einige ausgewählte Predigttexte:

 

Konfirmationspredigt 2016

Du stellst meine Füße auf weiten Raum (Psalm 31)

Ein Schuh. Ein Babyschuh. Der allererste, den ich über den kleinen Fuß unserer Tochter gezwängt habe – laufen konnte sie damit noch gar nicht. Sie trug ihn bei der Taufe. Beim Segen und ersten Versprechen Gottes: Ich bin bei dir, wohin du auch gehst. Vielleicht haben Sie auch noch die ersten Schuhe Ihrer Kinder aufbewahrt. Schuhe, mit denen Ihr vorsichtig tastend die ersten Schritte vom Stuhl zum Tischbein gewagt habt – um dann doch auf die Nase zu fliegen. Machte aber nichts – nie wieder seid Ihr so frohgemut nach Stürzen aufgestanden wie beim allerersten Laufenlernen und Erkunden der Welt. Nie wieder habt Ihr Euch so bereitwillig liebhaben und aufrichten und trösten lassen – in dem sicheren Wissen: ich bin es wert, dass sich die Welt um mich dreht. Und ich kann alles schaffen – Laufen sowieso.

Längst seid Ihr diesen ersten Schuhen entwachsen. Euch mögen die Jahre seitdem wie eine kleine Ewigkeit vorkommen, weil es so viel zu lernen und zu erleben gab. Die Kindergartenjahre, die Grundschulzeit, der Wechsel auf eine andere Schule – immer musstet Ihr Euch neu einleben, neue Freunde finden und auch erfahren: Ich werde beurteilt für das, was ich bin und kann. Mathe geht vielleicht gut – dafür fällt es schwerer, einen Aufsatz zu schreiben. Oder umgekehrt. Und es warten ja so viele andere nette Dinge, die man auch noch tun kann, wenn lästige Hausaufgaben nicht zu viel Zeit stehlen. Einige von euch sind ja begeisterte Fußballer, andere spielen ein Instrument und singen, Ihr mögt es, Euch mit Euren Freunden zu treffen, Computer und Handy wollen auch beachtet werden, ab und zu jedenfalls…J

Mir fallen zu Euren Jahren bis heute ganz verschiedene Schuhe ein: die muffigen Gummistiefel aus dem Kindergarten, zig mal verschlammt und durchs Wasser gezogen und irgendwann nur noch reif für den Müll, Halbschuhe, vielleicht ganz schön gute, die beim Roller- oder Kettcarfahren, beim Schaukeln oder Waveboardfahren auf unheimlich schnelle Art und Weise Patina anlegen konnten, Inliner, mit denen ihr rasante Kurven drehtet und wir euch mit klopfendem Herzen zusahen und hofften, Ihr schlagt Euch nicht den Hinterkopf auf, Fußballschuhe, die wir manchmal gar nicht so schnell kaufen konnten, wie Eure Füße wuchsen, schicke Markenturnschuhe, mit denen ja alle herumliefen und die Ihr deshalb unbedingt auch brauchtet… es gibt sicher nicht mehr viele Schuhe aus diesen Jahren, weil sie benutzt und verlebt und dann irgendwann auch als altersschwach entsorgt wurden.

Und heute nun tragt ihr Festschuhe, die Mädchen z.T. mit hohen Absätzen, auf denen Ihr ein zweites Mal laufen lernen musstet. Die Jungen gehen etwas bequemer in glänzenden Lederschuhen. Dazu tragt Ihr Kleider und Anzüge und Frisuren, die Euch plötzlich ganz erwachsen aussehen lassen. Nicht nur Euer Gang ist ein anderer, Eure Ausstrahlung heute lässt uns Euch noch einmal mit anderen Augen ansehen und anstaunen: Unser Mädchen, unser Junge, so groß schon, so schön, immer mehr auf dem Weg, ganz sie selbst oder er selbst zu werden, mit kantigeren Gesichtern, die das Kindlich-Weiche ablegen, mit eigenen Träumen vom Leben und dem Wunsch, sich von uns Großen abzunabeln und die eigene Lebensspur zu finden.

Ihr macht Euch auf den Weg. Ihr wagt Schritte in ein Morgen, das unbekannt und doch verheißungsvoll vor Euch liegt. Sicher, Ihr nehmt schon aufmerksam wahr, welche Herausforderungen die Welt an uns alle stellt. Manches macht Euch schon Sorgen, manches auch Angst. Trotzdem seid Ihr guten Mutes und schmiedet Pläne. Ihr wisst: Ihr braucht eine gute Ausrüstung, gutes Schuhwerk für Eure Wanderung über diese Erde.

Springerstiefel und genagelte Sohlen sind hoffentlich weniger dabei – Ihr findet bestimmt Euren eigenen Takt und werdet nicht auf ein Gleichschritt – Marsch! angewiesen sein.

Leichtigkeit soll zu Eurem Weg gehören, Ihr sollt ab und zu tanzen und Euch schmücken und lachen und das Zusammensein mit anderen genießen – und auf glattem Parkett möglichst nicht ins Rutschen geraten.

Arbeitsschuhe werden zu euch gehören; Turnschuhe für den Sport, Gummischuhe für den Garten, Puschen für den Abend zuhause, warme Stiefel für die Winterkälte. Irgendwann vielleicht ein Brautschuh…

Nichts soll drücken, nichts schwer wie Blei an Euren Füßen ziehen, nichts Euch ins Rutschen bringen. Wir wünschen Euch heute, dass Euch alle Schuhe passen werden, die das Leben Euch hinstellt, und ihr nicht angesichts einer Herausforderung sagen müsst: Dieser Schuh ist mir eigentlich eine Nummer zu groß.

Denn das Leben ist groß, wenn man den behüteten Raum der Kindheit verlässt. Es ist groß, herausfordernd, schön und auch schrecklich. Es wird Euch bergen, und es wird Euch auch bedrohen. Es wird Menschen geben, die neben Euch gehen und ihre Spur neben Eure setzen, weil sie Euch lieben und unterstützen, und es wird Augenblicke geben, da seid Ihr ganz auf Euch allein gestellt.

In diesen Augenblicken werdet Ihr am intensivsten spüren, was das Leben ist – und wer Ihr darin seid – was der Sinn Eurer Sommer und Winter ist und welche Spuren Ihr hinterlasst. Dazu braucht Ihr keine Schuhe. Manchmal muss man auch barfuß sein, um sich und das Leben zu spüren und den eigenen, unverwechselbaren Fußabdruck zu sehen. Ganz automatisch legen wir am Strand die Schuhe ab – und spüren die Kühle des nassen Sandes oder auch seine aufgeheizte Mittagshitze, die uns schnellere Schritte machen lässt.

Ein Bild vom Strand habe ich in Eure und Ihre Liedprogramme gedruckt. Das Meer gibt ein Stück feuchten Sand frei, das dazu einlädt, die eigene Spur hineinzuzeichnen. Der ewige Rhythmus des Meeres rauscht dazu als Puls der Welt, es kommt, es geht, so wie das Leben kommt und geht. Strandwanderer betten sich ein in diesen Rhythmus. Sie spüren die Gewalt der Natur, gegen die wir machtlos sind, und zugleich eine liebliche Schönheit, die uns dankbar sein lässt für jeden Atemzug, mit dem wir die frische Brise einatmen. Der Blick geht zurück auf die Spur der Füße im Sand – woher komme ich, wohin gehe ich, und in welchen Spuren wird die Sonne auch morgen noch kleine Schatten werfen?

Du stellst meine Füße auf weiten Raum, sagt ein Beter der Bibel zu seinem Gott. Vielleicht steht er am Meer, so wie wir das gerade in Gedanken tun, spürt, wie sein Fuß den feuchten Sand prägt, und schaut, wie das Blau des Himmels im Meer einen Spiegel findet. Seine Lunge wird weit, sein Herz noch weiter, eben hatte er noch Angst vor Feinden und heimlichen Intrigen und elenden Zeiten und dem Verwehen seiner Lebensspur – doch nun breitet er die Arme aus, und sein Atem geht leicht und frei. Himmelsglanz und eine Ahnung von Gottes Größe berühren seinen Geist, er sieht, wie sich das Wasser in seinen Spuren sammelt und sie wegwäscht, doch das macht nichts, denn er weiß: Du stellst meine Füße auf weiten Raum. Du bist mein Gott! Meine Zeit steht in deinen Händen. Du gehst neben meiner Spur, zeichnest deine Spur in meinen Tritt, und wenn das Meer der Zeit auch einmal wegwäscht, was ich versucht habe zu sein, dann bleibt meine Spur doch als unverwechselbarer Fußabdruck in dein Gedächtnis eingeprägt, du mein Gott.

Gott stellt auch Eure Füße auf weiten Raum. Ihr wisst das und habt das ausgedrückt, als Ihr überlegtet, was Euch die Konfirmation und der Segen bedeuten. Ihr fühlt Euch noch einmal bestärkt in dem Vertrauen, dass Gott Euch sieht und schützt. Er ist dabei, wenn Ihr nun ins Leben geht. Ihr dürft auf Absätzen durch die Nacht tanzen, in Ballerinas oder Sneakers zur Schule radeln, in Wanderschuhen Berge erklimmen, in Gummistiefeln im Garten graben, in Arbeitsschuhen Eure Kraft und Fähigkeiten einsetzen, barfuß durch taunasses Gras gehen oder die Zehen in feuchten Sand bohren und wissen: Mein Puls ist zwar nur ein Augenblick vor dem ewigen Pulsen des Meeres. Meine Zeit ist nur ein geschenkter Moment unter Gottes weitem Himmel. Aber das macht nichts. Mein Taufversprechen gilt und wird heute erneuert: Ich darf Schritte wagen. Spuren hinterlassen. Die Weite des Lebens ausmessen. Ich sagen und Ich sein. Wie ein Kind denken, dass sich die Welt nur für mich dreht. Fehler wagen und wieder Aufstehen nach einem Fall. Mich lieben lassen und selbst lieben. Die Schuhe schnüren und sagen: Los geht’s! Das Leben wartet. Gott geht mit. Und am Ende wird es gut sein. Amen.

 

 

Predigt Kantate Kolosser 3,12-17       2016

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

 

Von der Einführung des christlichen Glaubens im alten Russland wird berichtet, dass der Großfürst Vladimir von Kiew, ehe er sich 989 taufen ließ, eine Abordnung nach Byzanz schickte, damit sie sich über den christlichen Glauben informieren ließe. Die Delegation kam zurück und wurde über den Inhalt der neuen Lehre befragt. Die Delegierten schwiegen betreten. Schließlich fasste sich der Sprecher ein Herz und sagte: Wir haben nichts verstanden von dem, was gesagt wurde, aber wir wussten in ihren Kirchen, dass wir im Himmel waren.

 

Was hatte die Delegation aus Russland in den Himmel versetzt? Nicht die Worte. Vielleicht der Glanz der Ikonen und der Duft des Weihrauchs. Und sicherlich die Musik. Sie hat über Sprachgrenzen hinweg das Tor zum Himmel aufgestoßen.

 

Euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. So beschreibt der Kolosserbrief das Christenleben in manchmal finsterer Erdenzeit. Und weiter sagt er: Einmal wird die Herrlichkeit dieses verborgenen Lebens offenbar werden.  

 

Sie ist noch nicht offenbar, die Herrlichkeit des Lebens, das uns bei Gott im Himmel erwartet. Und doch sehen wir manchmal schon ihren Glanz.

Wenn Menschen mitfühlen. Sich erbarmen. Vergeben.

Und wenn sie danken und singen. Von Anfang an haben die christlichen Gemeinden in ihren Gottesdiensten musiziert, gedankt und gesungen. Und der Schreiber des Kolosserbriefes fordert sie genau dazu auch dazu auf: Mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.

 

Werdet dankbar. Werdet Danksingende.

Das ist nicht immer leicht. Nicht immer ist das Leben so, dass uns ein Dank leicht über die Lippen käme. Und an manchem Leben lässt sich gar kein Grund für einen Dank ablesen, jedenfalls nicht für unsere Augen.

Dankbarkeit kommt nicht von selbst. Sie wächst dort, wo das Wort Christi reichlich wohnt – wo es also nicht nur ab und zu zu Gast ist. Eine Weise, dieses Wort in unser Herz zu lassen, ist das Singen.

Warum?

Musik braucht eigentlich kein Wort.

Worte brauchen keine Musik.

Und doch passiert im Singen etwas Wunderbares. Wort und Musik, Unsagbares und Verstehbares werden gleichzeitig.

Im Singen können wir mehr als im Reden. Wir müssen nicht schon alles glauben, bevor wir anfangen zu singen. Wir glauben längst nicht alles, was wir singen. Aber wir singen, damit wir Glauben lernen.

Ein Chorsänger aus Fallersleben sagte das einmal so: Ich fühl mich oft nicht so fest im Glauben. Aber wenn ich eine Kantate singe, dann spüre ich, wie sie mein Herz erhebt. Ich singe die Worte: Jesu bleibet meine Freude– und dann ist das für mich so: Ich freue mich an Jesus, ich glaube, dass es einen Gott im Himmel gibt, und ich singe es laut heraus.

 

In den Liedern und Tönen kann der Mund oft viel mehr, als unser Herz schon kann. Und so gilt auch für den Dank, dass seine Muttersprache die Lieder und die Musik sind. Mit Worten allein kommt der Dank nicht aus. Und manchmal schleifen die Lieder das müde Herz hinter sich her, bis es wieder auf den eigenen Beinen stehen und das Leben annehmen kann.

Im Danken hofft man, dass doch noch alles gut werden kann. Im Loben singt man die Schönheit der Welt herbei, auch wenn sie noch gar nicht schön ist. Im Danken besingen wir Gott als Hüter unseres Lebens – und hoffen, dass das einmal ganz und gar so sein wird.

 

Die Lieder und die Musik sind die Vorspiele des ewigen Lebens, viel mehr als jede Predigt und jeder Unterricht und jedes Wort das sein können.

Sie reißen uns hin zum Danken und zum Glauben, sie holen Himmelsglanz in das Grau des Alltags oder letzte Hoffnung in eine aussichtslose Situation.

Was macht Jona im Bauch des Walfischs? Er singt und lobt Gott.

Was machen Daniel und seine Freunde im Feuerofen, in den die Feinde sie geworfen haben? Sie klammern sich an ihren Gott – und singen!

Was machen Paulus und Silas, als sie von den Christenverfolgern in den Kerker geworfen werden? Sie singen und loben ihren Gott.

Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe…ich lobe meinen Gott, der mir die Fesseln löst, damit ich frei bin…Ehre sei Gott auf der Erde in allen Straßen und Häusern, die Menschen werden singen bis das Lied zum Himmel steigt: Ehre sei Gott und den Menschen Frieden…

 

Was sind Gottesdienste ohne Musik?

Was ist ein Christenleben ohne Lieder?

 

Eindrücklich sind die Erzählungen einer alten Frau über ihre Mutter.

Sie war Bäuerin auf einem kleinen Hof in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts. Für die zwei Jungen aus der ersten Ehe ihres Mannes war sie Stiefmutter, 7 eigene Kinder bekam sie noch dazu. Wie sie alle ernährt und gekleidet und erzogen hat auch durch Kriegswirren und Wirtschaftskrisen hindurch, haben ihre Kinder selbst später kaum begreifen können. Mit Liebe und Hochachtung haben sie immer von ihr gesprochen, und auf das Gesicht ihrer alt gewordenen Tochter legte sich immer ein Lächeln, wenn sie von ihrer Mutter sprach. Bei uns zuhause wurde immer gesungen, sagte sie dann. Das war so schön. Wir hatten viel Arbeit, und wir Kinder mussten tüchtig helfen. Aber wir haben dabei gesungen, und dann ging die Arbeit leichter von der Hand. Die Lieder haben wir von unserer Mutter gelernt. Sie war sehr gläubig. Und durch das Singen haben wir auch ihren Glauben gelernt.

Lobe den Herren – das hat viele Strophen, die haben wir oft beim Kartoffelschälen gesungen.

Wenn wir im Sommer zum Erbsenpulen auf der Bank vorm Haus saßen, dann war „Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben…“ unser Lieblingslied.

Eine unserer Schwestern ist gestorben, als sie noch klein war. Meine Mutter versuchte, ihre Gefühle vor uns anderen Kindern zu verbergen. Und sie hörte auch nicht auf zu singen. Aber sie weinte in ihren Liedern. „Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn allezeit…“ kann ich nicht mehr singen, ohne an damals zu denken.

Die Ehe meiner Eltern hatte manchen Tiefpunkt. Und wenn Mutter wütend war, sang sie „Ein feste Burg ist unser Gott…“. Wenn sie dazu den Teig knetete und schlug, konnte man Angst kriegen. Und wenn die Welt voll Teufel wär – heißt es in einer Strophe - wir wussten schon, wen sie da besang…

Wenn nachts ein Gewitter kam, dann mussten wir aufstehen und uns anziehen. Meine Mutter hatte große Angst, dass der Blitz bei uns einschlagen könnte. Dann sangen wir: „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt.“

 

Das Leben früher war hart. Aber die Musik hat es erträglich gemacht. Ich erinnere mich gern. Alle Lieder meiner Mutter kann ich bis heute auswendig. Und ich singe sie auch noch. Beim Kartoffelschälen und im Gottesdienst.

 

Stimmen wir also ein in dieses Singen unserer Väter und Mütter im Glauben.

Gott loben und ihm danken und singen ist unser Amt.

Es legt Himmelsglanz über unser Leben und lässt uns hoffen: Einmal hört das Verborgene auf. Dann sind wir dort, wo die Engel singen und alles gut wird.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unserer Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn.